Ludwig Ginsberg wurde am 31. Dezember 1873 als fünftes Kind des Fabrikbesitzers Adolf Ginsberg und Franziska geb. Sachs in Berlin geboren. Er wuchs zunächst im großbürgerlichen Alsenviertel direkt am Königsplatz auf und lebte ab 1889 in der Viktoriastraße 9 im Tiergartenviertel. Die feinsinnigen Eltern erzogen ihre sechs Kinder im humanistischen Geist, man war Mitglied der liberalen Synagoge, engagierte sich großzügig für wohltätige Zwecke und bildete sich musisch wie akademisch. In diesem Sinne hatte auch der Geiger Bronislaw Huberman als Kind ein Stipendium der Familie erhalten, um in Berlin zu studieren. Für Ludwig Ginsberg war er zeitlebens ein brüderlicher Freund und zuletzt sein engster und wichtigster Vertrauter.

Viktoria Str. 9, Berlin

Nach einer kaufmännischen Ausbildung u.a. in Nordengland arbeitet Ludwig Ginsberg in den Unternehmen der Familie. Diese besaß weitläufiger Fabriken zur Baumwollverarbeitung im polnischen Zawiercie. In Berlin führte Ludwig Ginsberg mit seinem Bruder Max und Vetter Herbert Ginsberg die Privatbank Gebrüder Ginsberg.1 Privat engagierte sich Ginsberg stark für die Israelitische Taubstummenanstalt in Berlin-Weissensee und war viele Jahre erster Vorsitzender des Trägervereins Jedide Ilmin.

ens und bezog mit ihr eine großzügige Wohnung in der Von-der-Heydt-Str.6.1 Die gemeinsame Tochter Alice wurde im Dezember 1917 geboren, im Januar 1920 wurde Tochter Lotte mit dem Down Syndrom geboren. Die Kinder zog Ludwig Ginsberg mit Hilfe der Haushälterin Maria Fahning auf, denn Helga Ginsberg war im Dezember 1923 verstorben.

Entlang der Viktoria- und Bellevuestraße, in direkter Nähe seines Elternhauses, hatten sich bereits um die Jahrhundertwende Kunstgalerien, Antiquariate und Auktionshäuser angesiedelt. Hier begegnete Ginsberg im Kunstsalon Keller und Reiner dem dänischen Bildhauer Stephan Sinding.1 Ginsberg besaß nachweislich mehrere Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers, deren Verbleib bislang unbekannt ist.

In diesem Umfeld erwarb Ginsberg ein kleinen Konvolut an Menzel Grafik. Er erkannte rasch, dass das grafische Werk Menzels bislang nur unzureichend und teils fehlerhaft dokumentiert worden war und erkor es sich zum Ziel das Werk systematisch zu erschließen und vollständig zusammenzutragen. Dabei kaufte er nicht nur im Kunsthandel sondern auch direkt aus dem Umkreis Adolf Menzels, von seinen Druckern und Verlegern sowie deren Nachkommen.1 Ginsbergs Unterfangen profitierte in den 1910er Jahren auch von den Auflösungen prominenter privater Sammlungen und er konnte auf diesem Weg seltene Probedrucke Menzels erwerben. Fachliche Unterstützung erhielt er durch den Mitarbeiter und späteren Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts Elfried Bock. Dieser veröffentlichte 1923 das Werksverzeichnis zum grafischen Werk Menzels, das aus der Katalogisierung der Ginsbergschen Sammlung entstanden war.

Ginsbergs Menzel Sammlung blieb aber im Privaten. Der Umfang und die Qualität der Sammlung ließ sich damals wie heute nur aus einigen Publikationen erschließen. Nur wenige knappe Erwähnungen in Kunstzeitschriften geben Aufschluss darüber, dass Ginsberg Zeichnungen für Ausstellungen zur Verfügung gestellt oder einen Probedruck an das Berliner Kupferstichkabinett gestiftet hat.1 Einen kompakten Überblick über den Sammlungsumfang bietet einzig der Katalog der Kunstauktionatoren Paul Graupe (Berlin) und C.G. Boerner (Leipzig) die Ginsberg 1930 mit der Veräußerung seiner Sammlung beauftragte.2 In 459 Losen wurde die Sammlung, die neben dem fast kompletten grafischen Werk Menzels, Autographen, Handzeichnungen und seltene Bücher umfasste, am 5. Dezember 1930 in der Tiergartenstraße 4 versteigert. Das Interesse der Museen und privaten Sammlern war groß.3 Das unverkaufte Auktionsgut ging an Ludwig Ginsberg zurück.

Erst 1935 bot er diesen Restbestand erneut zum Verkauf an, dieses Mal beim Berliner Auktionshaus Max Perl. Die 120 Lose umfassten neben Büchern und Gebrauchsgrafik auch sechs Handzeichnungen und 124 Probedrucke Adolph Menzels, darunter gerahmte Skizzen die 1930 noch nicht zum Verkauf gestanden waren. Fast zeitgleich lieferte Ginsberg auch bei C.G. Boerner, Leipzig Werke Menzels ein. Diese sieben Lose wurden am 27.11.1935 versteigert. Allesamt waren sie nicht Teil der 1930er Auktion gewesen. Der Verkauf von drei dieser Losen ist belegt, der Verbleib der unverkauften Werke aus beiden Auktionen im Jahr 1935 ist allerdings nicht bekannt. Da die Provenienz Ginsberg aber bis zuletzt vorrangig mit der 1930er Auktion in Verbindung gesetzt wurde, wurden auch in der Nachkriegszeit Werke aus der Sammlung über den Kunsthandel verkauft.

Dabei wurde außer Acht gelassen, dass Ginsberg als Jude nach 1930??? entrechtet und verfolgt und jeder Verdienstmöglichkeit beraubt worden war. Ludwig Ginsberg war zunächst zur ,,Arisierung‘‘ und dann zur Liquidation des Bankgeschäfts Gebrüder Ginsberg gezwungen worden. Ohne Einkommen war er gezwungen sukzessive seinen Besitz zu veräußern, zunächst um den Unterhalt für sich und seine beiden Töchter zu bestreiten, später um die Emigration der jüngeren Tochter nach England zu ermöglichen. Die Handelsregisterakte der Gebrüder Ginsberg sowie der persönliche Briefwechsel mit Bronislaw Huberman, der sich in dessen Nachlass erhalten hat, belegen die Verfolgung und Verzweiflung Ginsberg eindrücklich.

Mit der praktischen und finanziellen Unterstützung Bronislaw Hubermans gelang es Ludwig Ginsberg im November 1938 die Flucht für seine Tochter aus Deutschland zu organisieren. Er selbst verstarb am 30.März 1939 in Berlin. Seine Tochter Alice konnte noch vor Kriegbeginn im Sommer 1939 nach England ausreisen, wo sie im Dezember 2000 starb. Seine jüngere Tochter Lotte wurde im Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet.

Das durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste finanzierte Provenienzforschungsprojekt zur Menzel Sammlung Ludwig Ginsbergs untersucht die Veräußerungen und den Verbleib der Sammlung nach 1933. Das Projekt wird in Kooperation mit dem Fachbereich Kunstgeschichte der Moderne an der Technischen Universität zu Berlin durchgeführt.

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Max Ginsberg